Jugendstrafrecht – Sonderstrafrecht für junge Beschuldigte

Grundlagen und Systematik

Junge Menschen befinden sich sowohl biologisch, als auch soziologisch noch in einer Entwicklungsphase.  Die Verstandes- und Willenskraft sowie das Unterscheidungsvermögen zwischen Recht und Unrecht sind oft noch nicht voll ausgebildet. Hinzu treten völlig neue Herausforderungen, etwa im beginnenden Berufsleben. In dieser ohnehin schwierigen Lebensphase kommt es – statistisch gesehen – besonders häufig zu Straftaten. In der Regel weisen diese Straftaten in jungen Jahren aber einen geringeren Unrechts- und Schuldgehalt auf, weshalb Jugendliche nicht im gleichen Maße wie Erwachsene strafrechtlich verantwortlich gemacht werden können. Nichts desto trotz müssen auch Jugendliche und Heranwachsende bestraft und – noch wichtiger – erzogen werden um so den Beginn einer kriminellen Kariere zu verhindern. Um den Besonderheiten der Jugendkriminalität gerecht zu werden hat der Gesetzgeber abweichend von den  allgemeinen Strafrechtsnormen für Erwachsene ein besonderes Strafverfahren mit spezifischen Rechtsfolgen für Jugendliche im sog. Jugendgerichtsgesetz (JGG) geregelt. Weil junge Menschen noch prägbar sind, steht im Jugendstrafrecht sowohl hinsichtlich der Auswahl der Sanktionen, als auch der Ausgestaltung des Verfahrens weniger die Bestrafung, sondern vielmehr der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Dies zeigt sich auch dadurch, dass die Regelungen des JGG gegenüber zu den allgemeinen Strafvorschriften grundsätzlich Vorrang haben.

Geltungsbereich

Das JGG findet immer dann Anwendung, wenn ein Jugendlicher oder Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften, vor allem dem Strafgesetzbuch oder auch dem Betäubungsmittelgesetz, mit Strafe bedroht ist.

Für die Frage, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht anwendbar ist, kommt es demnach zunächst darauf an, wie alt der Beschuldigte bei Begehung der Tat (nicht bei der Verurteilung) gewesen ist. Es gelten folgende Altersgruppen:

•    Kinder bis 14 Jahre sind schuldunfähig und damit noch nicht strafmündig. Sie fallen daher auch nicht unter das Jugendstrafrecht.
•    Für Jugendliche, also Personen die  zum Zeitpunkt der Tat 14, aber noch nicht 18 Jahre alt sind, findet das Jugendstrafrecht uneingeschränkt Anwendung.
•    Personen, die zum Zeitpunkt der Tat 18, aber noch nicht 21 Jahre alt sind, gelten als Heranwachsende. Sie werden ebenfalls vor den speziellen Jugendgerichten abgeurteilt. Das Jugendstrafrecht findet auf diese jedoch nur dann Anwendung, wenn die Voraussetzungen des § 105 Absatz 1 JGG vorliegen. D.h. sie werden hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Straftat einem Jugendlichen weitgehend gleichgestellt, wenn sie in ihrer geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstehen oder wenn die Tat nach Umständen oder Beweggründen eine jugendtypische Straftat war.
•    Beschuldigte, die zur Tatzeit einundzwanzig Jahre oder älter gewesen sind, unterfallen in jedem Fall dem Erwachsenenstrafrecht.

Weitere Voraussetzung für eine Verurteilung ist – im Jugendstrafrecht wie im allgemeinen Strafrecht – das Vorliegen einer Verfehlung, also einer mit Strafe bedrohten Handlung. Für Jugendliche und Erwachsene sind die Handlungen gleichermaßen strafbar. Das JGG enthält also keine Sondervorschriften über Straftatbestände, die bestimmte Handlungen unter Strafe stellen, sondern trifft lediglich hinsichtlich der Folgen – vom Erwachsenenstrafrecht unterschiedliche – Anordnungen. Straftatbestände, die rechtswidrig und schuldhaft erfüllt sein müssen, ergeben sich demnach vor allem nach dem Strafgesetzbuch und zahlreichen Nebengesetzen.

Besonderer Schuldausschließungsgrund für Jugendliche, § 3 JGG

Wer ohne Schuld handelt, kann deshalb nicht bestraft werden. Anders als bei Erwachsenen und Heranwachsenden bei denen von der Schuldfähigkeit regelmäßig auszugehen ist, muss die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Jugendlichen stets vorab positiv festgestellt werden.
Neben der allgemeinen Schuldunfähigkeit aus § 20 StGB normiert § 3 JGG deshalb noch einen speziellen Schuldausschließungsgrund für Jugendliche. Entscheidend für die strafrechtliche Verantwortlichkeit ist demnach der Reifegrad des jungen Menschen. Der Jugendliche ist für seine Tat nur dann zu bestrafen, wenn er zum Zeitpunkt der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug war das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
Kann die Strafmündigkeit nicht positiv festgestellt werden, ist der Jugendliche nicht für seine strafbare Handlung verantwortlich und bleibt daher straflos. In Betracht kommen dann nur vormundschaftsgerichtliche Maßnahmen.
Für Heranwachsende gilt § 3 JGG übrigens nicht. Hier können ebenso wie für Erwachsene nur die allgemeingültige Schuldunfähigkeit nach § 20 oder die verminderte Schuldunfähigkeit nach § 21 StGB zur Anwendung kommen.