Einheitliche europäische Regelung in Ehesachen
Während auf europäischer Ebene oftmals einheitliche Regelungen getroffen werden, bleibt es im Familienrecht bislang bei nationalen Regelungen, die sehr große Unterschiede aufweisen. Der Grund liegt darin, dass das Familienrecht von heimatstaatlichen Traditionen geprägt ist, was die Neigung der Nationen erklärt, daran festzuhalten.
Die stetig wachsende Mobilität von Menschen und die dadurch entstehenden multinationalen Bezugspunkte, aber auch die überholte Funktion des Internationalen Privatrechts seit Inkrafttreten des EGBGB n.F. im Jahr 1986 (IPR), haben jedoch ein ernstzunehmendes Bedürfnis nach Vereinheitlichung der rechtlichen Regelungen im Familienrecht erwachsen lassen.
Auf der Ebene der Europäischen Union ist auf absehbare Zeit nur vorstellbar, dass die Zuständigkeit und das internationale Privatrecht, also die Anwendung des Sachrechts im jeweiligen Mitgliedstaat, vereinheitlicht werden. Die Verhandlungen über den im Juli 2006 von der Kommission vorgelegten Vorschlag für eine Verordnung über die Zuständigkeit in Ehesachen und das anwendbare Recht in diesem Bereich („Rom III”) scheiterten im Juli 2008 mit der Feststellung, dass unüberwindbare Schwierigkeiten bestünden.
Allerdings war nun der Weg für eine sogenannte „Verstärkte Zusammenarbeit” eröffnet, die es einzelnen Mitgliedstaaten (mindestens neun) ermöglicht, der in Aussicht genommenen Verordnung untereinander Geltung zu verschaffen. Diesen neuen Weg zu gehen, beschlossen im Juli 2008 acht europäische Staaten, denen sich Deutschland im April 2010 anschloss und nunmehr vierzehn Mitgliedstaaten zählt.
Das zögerliche Verhalten Deutschlands könnte darauf zurückzuführen sein, dass durch europäische Regelungen, die von nicht allen Mitgliedstaaten mitgetragen werden, ein „Flickenteppich” in Bezug auf geltendes Recht entsteht. Ein tragendes Argument, allerdings ist eine Harmonisierung mit verschiedenen Geschwindigkeiten besser ist als keine; insbesondere vor dem Hintergrund der hohen Komplexität der Ermittlung des anwendbaren Rechts außerhalb internationaler Abkommen. Dies erschwert Rechtsstreitigkeiten auf multinationaler Ebene und bereitet Hindernisse nicht nur für die am Verfahren beteiligten Rechtsanwälte.
Der Vorschlag der Kommission vom 1. 6. 2010 behält die bereits 2006 erarbeiteten Grundsätze bei, als da sind: die Präferenz für die Rechtswahl, hilfsweise die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt und – falls danach eine Scheidung nicht möglich ist – die Heranziehung des Rechts des Gerichtsorts.
Nach Art. 3 steht die Möglichkeit der Rechtswahl im Vordergrund. Die Ehegatten sollen das auf die Scheidung oder Trennung anzuwendende Recht durch Vereinbarung bestimmen können. Die Rechtswahl kann jederzeit, auch noch während des laufenden Verfahrens – soweit das nationale Recht dies vorsieht: auch zu Protokoll des angerufenen Gerichts – erklärt werden.
Als Formerfordernis ist die Schriftform sowie die Datierung und Unterzeichnung durch beide Ehegatten vorgesehen.
Haben die Eheleute keine Rechtswahl getroffen, so ist in Art. 4 vorgesehen, dass das Recht des Staates zur Anwendung gelangt, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Anderenfalls folgen das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, soweit dieser Aufenthalt nicht mehr als ein Jahr vor Anrufung des Gerichts endete und einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Oder aber das Recht des Staates, dem beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts angehören und schließlich das Recht des Staates des angerufenen Gerichts. Diese Anknüpfungsleiter lehnt an bereits existierende europäische Regelungen an. Es soll das Recht zur Anwendung gelangen, zu dem die Eheleute einen engen Bezug haben und welches ihnen am ehesten vertraut ist.
Ist durch Rechtswahl oder hilfsweise durch Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt keine Ehescheidung möglich, so ist das Recht des Staates des angerufenen Gerichts anzuwenden. Als Zugeständnis an die Mitgliedstaaten, ist zusätzlich neben der allgemeinen ordre-public-Klausel in Art. 7 – in Art. 7a geregelt, dass deren Gerichte nicht verpflichtet sind, eine Ehescheidung in Anwendung der Verordnung auszusprechen.
Art. 9 soll die reibungslose Umsetzung der Verordnung gewährleisten. Hiernach verpflichten sich die teilnehmenden Mitgliedstaaten gegenüber der Kommission, ihre nationalen Bestimmungen über Formvorschriften für Rechtswahlvereinbarungen und die Möglichkeiten das anwendbare Recht etwa im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens zu Protokoll zu vereinbaren, mitzuteilen. Diese Informationen sollen auf der Webseite des europäischen justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen öffentlich zugänglich gemacht werden.
Eine solche Verordnung auf einheitlicher europäischer Ebene, zur Gewährleistung eines klaren umfassenden Rechtsrahmens und der den Bürger dieser Mitgliedsstaaten Rechtssicherheit, Berechenbarkeit und Flexibilität sachgerechter Lösungen bietet ist sehr zu begrüßen. Es sei zu hoffen, dass diese Verordnung alsbald Rechtskraft erlangt.